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EU-Mercosur, Green Tech und Wachstumsmärkte: Was Brasilien für Bayern bedeutet

Brasilien ist der wichtigste Handelspartner Bayerns in Südamerika – und bietet enormes Potenzial in den Bereichen Nachhaltigkeit, Energie und Digitalisierung. Im Interview erklärt Barbara Konner, Hauptgeschäftsführerin der AHK Brasilien, wo sich aktuell die größten Chancen für bayerische Unternehmen eröffnen, welche Herausforderungen beim Markteintritt zu beachten sind und welche Rolle das geplante EU-Mercosur-Abkommen dabei spielt.

Brasilien gilt als einer der wichtigsten Märkte Südamerikas. In welchen Branchen sehen Sie aktuell die größten Chancen für deutsche – und speziell bayerische – Unternehmen?

Brasilien ist aufgrund seiner geografischen Größe, seines Marktpotenzials und der vielfältigen und breit aufgestellten Industriestruktur ein strategisch wichtiger Markt. So ist das Land der einzige strategische Partner Deutschlands in Lateinamerika und gleichzeitig der wichtigste Handelspartner des Freistaates Bayern in Südamerika. Darüber hinaus ist es das fünftgrößte Investitionsziel der Europäischen Union weltweit.

Aktuell sehen wir bedeutende Chancen in Bereichen wie nachhaltige Mobilität, erneuerbare Energien, Infrastruktur, industrielle Digitalisierung und Hightech-Agrarwirtschaft. Bayerische Unternehmen, die auf eine lange Tradition in Themen wie Innovation und technologische Exzellenz zurückblicken können, finden in Brasilien ein fruchtbares Umfeld für Kooperationen, sei es bei der Bereitstellung von Industrielösungen oder bei der gemeinsamen Entwicklung von Projekten in Bereichen wie Energieeffizienz, Automatisierung und Biotechnologie für die Landwirtschaft.

Wie entwickelt sich die wirtschaftspolitische Lage in Brasilien? Welche Auswirkungen haben die aktuellen Reformen oder Regulierungen (z. B. Steuerreform, Umweltauflagen) auf ausländische Investoren?

Die kürzlich verabschiedete Steuerreform weckt positive Erwartungen, da sie ein transparenteres, berechenbareres und effizienteres System schaffen soll, das auch die Compliance-Kosten für ausländische Investoren senken dürfte. Die Reform vereint fünf Steuern in einem dualen Mehrwertsteuersystem (CBS und IBS), das bis 2033 schrittweise eingeführt wird.

Darüber hinaus bringt die zunehmende Regulierung in den Bereichen Nachhaltigkeit und Umweltanforderungen das Land in Einklang mit internationalen Standards, was deutschen Unternehmen zugute kommt, die es gewohnt sind, in Umgebungen mit hohen regulatorischen Anforderungen zu agieren. Mittelfristig glauben wir, dass diese Veränderungen entscheidend für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität des brasilianischen Marktes sind. Als Kammer engagieren wir uns auch sehr für das Abkommen zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur, sowie insbesondere auch für das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen Brasilien und Deutschland, das Importe und Exporte ankurbeln und zu einer Steigerung der Investitionen beitragen kann.

Nachhaltigkeit spielt in Brasilien eine große Rolle – Stichwort Amazonasschutz und Energiewende. Welche Geschäftschancen ergeben sich daraus für deutsche Unternehmen im Bereich Green Tech, erneuerbare Energien oder Kreislaufwirtschaft?

Brasilien ist eines der Länder mit der saubersten Strommatrix der Welt. Laut dem Ministerium für Bergbau und Energie wurden im Jahr 2024 etwa 88 Prozent der Stromversorgung aus erneuerbaren Quellen erzeugt. Dieses Szenario eröffnet eine Vielzahl von Möglichkeiten für Technologien und Lösungen in Bereichen wie Solarenergie, Windenergie, Biomasse, fortschrittlichen Biokraftstoffen und grünem Wasserstoff. Insbesondere der Markt für grünen Wasserstoff bietet eine große Chance für das Land, das über einzigartige Eigenschaften verfügt, die es zu einem der größten globalen Exporteure machen konnen. Schätzungen gehen von einem Investitionspotenzial von bis zu 200 Milliarden US-Dollar bis 2040 aus.

Darüber hinaus verstärken die Agenda zum Schutz des Amazonasgebiets und die Umsetzung des Plans zur ökologischen Transformation (2023) sowie des Nationalen Programms für grünes Wachstum (2021), das bis zu 400 Milliarden Reais für die Finanzierung nachhaltiger Projekte vorsieht, die Attraktivität für innovative Lösungen in den Bereichen Kreislaufwirtschaft, Abfallwirtschaft, Elektromobilität, Umweltüberwachung und kohlenstoffarme Technologien. Wir freuen uns sehr über Beispiele wie die IFAT-Messe, die bereits zweimal in Brasilien stattgefunden hat und relevante Diskussionen über Wassermanagement und Abwasserentsorgung in São Paulo, dem größten deutschen Industriezentrum außerhalb Deutschlands, fördert. 

In diesem Zusammenhang finden bayerische Unternehmen in Brasilien einen wichtigen Absatzmarkt und einen strategischen Partner für die gemeinsame Entwicklung nachhaltiger Technologien. Durch die Verbindung deutscher Innovationskraft mit den natürlichen Ressourcen und der Klimapolitik Brasiliens lassen sich wirtschaftliche und sozioökologische Effekte erzielen und die Zusammenarbeit in Schlüsselbereichen der globalen Energiewende festigen.

Welche typischen Herausforderungen erleben bayerische Firmen beim Markteintritt in Brasilien – etwa beim Zoll, bei Bürokratie oder in der Partnersuche – und wie unterstützt die AHK konkret dabei?

Brasilien weist einige Herausforderungen in Bezug auf Bürokratie auf: Steuerlast, Logistikkosten und Zollverfahren, werden von deutschen Unternehmen in unseren Beratungsgesprächen häufig erwähnt. Darüber hinaus ist die Identifizierung zuverlässiger Partner ein entscheidender Faktor für den Erfolg.

Neben der Unterstützung bei der individuellen Planung für den Eintritt in den brasilianischen Markt bietet die AHK São Paulo auch Informationen, Marktstudien und die Suche nach strategischen Partnern an. Ein wichtiger Bestandteil für den Erfolg sind interkulturelle Kompetenzen, die für den Geschäftserfolg in Brasilien nicht unterschätzt werden sollten.

Für bayerische Unternehmen bieten wir zusätzlich Unterstützung durch die Repräsentanz des Freistaates Bayern in Brasilien, die seit über 25 Jahren vor Ort tätig ist. Innerhalb des Netzwerks von 30 Repräsentanzen des Freistaates ist São Paulo eine der ältesten und traditionsreichsten Einrichtungen zur Förderung der Geschäftsbeziehungen zwischen Bayern und Brasilien. Die AHK São Paulo ist stolz darauf, diese Repräsentanz zu führen, die die wichtige Zusammenarbeit zwischen den beiden Regionen zum Ausdruck bringt. 

Wenn Sie einen Blick nach vorne werfen: Welche Rolle wird Brasilien in den nächsten fünf Jahren für deutsche Exporteure und Investoren spielen – auch im Kontext des geplanten EU-Mercosur-Abkommens?

Brasilien wird auch in den kommenden Jahren ein wichtiger Partner für Deutschland bleiben, insbesondere angesichts der Notwendigkeit, Lieferketten zu diversifizieren und Wachstumsmärkte zu erschließen. 

Das Land verfügt über eine breite und solide industrielle Basis, reichhaltige natürliche Ressourcen und das Potenzial, die Energiewende und die Digitalisierung voranzutreiben. Das Abkommen zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur wird diese Chancen noch verstärken, indem es den Handel erleichtert und bilaterale Investitionen fördert. Wir sprechen hier von einem der größten Handelsabkommen der Welt, das 31 Länder mit einem Markt von mehr als 718 Millionen Verbrauchern und einem Brutto-Inlandsprodukt von 22 Billionen US-Dollar umfasst. Dies entspricht mehr als 20 Prozent der Weltwirtschaft.

Stimme aus der bayerischen Repräsentanz in Brasilien

Dr. Claudia Bärmann Bernard, Repräsentantin des Freistaats Bayern in Brasilien und Bereichsleiterin Administration und Recht bei der AHK São Paulo:

Mit der Repräsentanz bieten wir ein solides und zuverlässiges lokales Unterstützungsnetzwerk. Dabei helfen wir bayerischen Unternehmen, die Besonderheiten des brasilianischen Geschäftsumfelds zu verstehen. Diese Zusammenarbeit gewährleistet, dass Herausforderungen mit praktischen und an die lokalen Gegebenheiten angepassten Lösungen bewältigt werden.

Hervorzuheben ist aktuell das Projekt International Scouting, das in Zusammenarbeit zwischen Bayern Innovativ, Bayern International und Invest in Bavaria mit den bayerischen Auslandsrepräsentanzen entwickelt wird.  Ziel ist es, in ausländischen Schwerpunktregionen für das Innovationsland Bayern in einem strukturierten Scoutingprozess nach den dort wichtigsten technologischen Trends und Innovationen zu suchen und diese aus Sicht der bayerischen Wirtschaft durch ausgewiesene Fachleute zu bewerten. Auf diese Weise trägt International Scouting dazu bei, bayerischen Unternehmen das Geschäftspotenzial Brasiliens in ihren jeweiligen Segmenten aufzuzeigen. 

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